BAUHERR
Landeshauptstadt Kiel

ADRESSE
Dänische Straße 44, 24103 Kiel

STAND
Ideenschmiede

TEAM
MVRDV + neuwerk

„Wo ist das Schloss?“
Eine Frage, die nicht nur von Gästen gestellt wird, die sich von der Wasserseite der Stadt nähern, sondern leider auch von vielen KielerInnen. Warum das, trotz der exponierten Lage am Fördeufer und dem nördlichen Zugang zur Kieler Altstadt, so ist und wie man das Gebäudeensemble des Kieler Schlosses wieder mit Leben füllen kann, war die Aufgabe, der wir uns im Rahmen des Werkstattverfahrens gewidmet haben.

Der vorliegende Entwurf HOP(P)A ist das Ergebnis einer historischen, sozialen, stadträumlichen, funktionalen und architektonischen Analyse, der Abwägung von möglichen Entwicklungsrichtungen aus den inspirierenden Impulsvorträgen, einer intensiven Auseinandersetzung mit dem unmittelbaren Kontext und dem fachlichen Austausch mit den teilnehmenden lokalen und internationalen Spezialisten. In Kombination mit unserer radikal visionären Grundhaltung und gespickt mit norddeutschem Pragmatismus ist in drei arbeitsreichen Tagen ein Entwurfsvorschlag entstanden, der das Potenzial hat, die direkte Umgebung des Kieler Schlosses aufzuwerten, dem Ensemble seine ursprüngliche Strahlkraft wieder zu verleihen und dem Fünften Kieler Schloss einen prägnanten Platz auf der mentalen Landkarte von sowohl KielerInnen als auch von Gästen zu sichern.

↳ Abbildung: Skyline von Kiel – Wo ist das Schloss?

Zukünftige Nutzung/Raumprogramm
Als einen der Gründe für die unterrepräsentierte Position des Schlosses in der Kieler Stadtgesellschaft haben wir die eingeschränkte Attraktivität für diverse Nutzergruppen ermittelt. Die Bauteile Schloss, Landeshalle und Rantzaubau sind nur teilweise öffentlich zugänglich und die aktuellen Nutzungen sprechen lediglich eine beschränkte Zielgruppe an. Auch das Konzerthaus wird, nach der Wiedereröffnung 2024, in der Programmierung hauptsächlich auf ein bestimmtes Publikum ausgerichtet sein.
Eine programmatische Neuorientierung des Ensembles im Sinne eines „House of Public and Performing Arts“ bietet unserer Meinung nach zahlreiche Möglichkeiten, mit dem Kieler Schloss einen Ort zu definieren, der interessant ist für Nutzer allen Alters, kulturellen Hintergrundes, Bildung oder sozialen Status. Die integrativen Aspekte und die grenzenlose Vielfalt von Musik und darstellender Kunst formen eine vielversprechende Basis, das Fünfte Kieler Schloss tatsächlich zu einem „Schloss für Alle“ werden zu lassen.
Ein Vorteil dies zu verwirklichen bietet das diverse räumliche Angebot der verschiedenen Bestandsbauten des Kieler Schloss Ensembles: Vom Jazz- oder Techno Club im Keller bis zum Philharmonischen Orchester im Konzerthaus, von Promotion und Produktion im Rantzaubau bis zum Musikunterricht im Schloss oder einer Kleinkunstbühne in der Landeshalle ist Vieles möglich. Die notwendige Umgestaltung und Ertüchtigung der Bestandsgebäude und deren langfristiger Betrieb in diesem Sinne macht eine Finanzierung mit ausschließlich öffentlichen Mitteln unwahrscheinlich. Durch die prominente Lage des Schlosses an der Förde und der Nähe zu Altstadt und Cruise Terminal ist das Objekt auch für Hotelbetreiber sehr interessant. Ein Teil des Schlosses oder ein An- bzw Aufbau für eine Hotelnutzung bietet zusätzliche Möglichkeiten, die Besucherfrequenz zu erhöhen, das räumliche und programmatische Angebot zu erweitern, Gastronomie zu integrieren und Teile der Umbau- und Betriebskosten zu finanzieren.

↳ Abbildung: Städtebauliche Einbindung.

Städtebau
In der aktuellen Situation erscheint das Kieler Schloss nicht nur programmatisch isoliert. Die direkte Umgebung wird von mehrspurigen Straßen dominiert, die fußläufig nur schwer zu überqueren sind. Topografisch liegt das Schloss auf einer Anhöhe, mehrere Meter oberhalb dem Wall. Diese Insellage führt dazu, dass das Schloss nahezu allseitig von Bewegungsströmen umflossen wird, nicht aber als Zielpunkt erlebt wird.
Dieses -wortwörtliche- Alleinstellungsmerkmal bietet aber auch die Möglichkeit, die gewünschten Verbindungen mit der Umgebung durch spezifische Zugänge zu inszenieren. Unser Entwurf sieht drei dieser besonderen Wegebeziehungen vor: der Wipfelpfad, die Seebrücke und der Rote Teppich, die jeweils auf eigene Weise auf die speziellen Charakteristiken der angrenzenden Stadträume Park, Fördeufer und Altstadt eingehen und einen konkreten Bezug zu diesen herstellen.
Zielpunkte dieser Wegeverbindungen vom Schlossplatz aus sind drei Satellit-Standorte, die einen programmatischen Bezug zum Schloss herstellen. Der Wipfelpfad beginnt auf dem Schlosshof und setzt sich auf gleicher Höhe in Richtung Schlosspark fort, überbrückt den Prinzengarten und führt zur Waldbühne im Schlosspark. Die Seebrücke verbindet den Fördebalkon mit einer Seebühne am/im Fördeufer und die umgestaltete und aufgewertete Schlossstraße fungiert als Roter Teppich zwischen dem Pop-Up Pavillon am Alten Markt und dem Schlossplatz.

Um diese neuen Raumbezüge zu stärken, wird auch der Schlossplatz selber neu definiert. Die Landeshalle, die in seiner aktuellen Platzierung zwischen Rantzaubau und Schloss eher störend wirkt, wird um 24m in Richtung Konzerthaus verschoben und durch ein transparentes Erdgeschoss erweitert. Der Fördebalkon zwischen Konzerthaus und Schloss wird rückgebaut und als Pavillon direkt an der Förde platziert. Durch diesen relativ simplen Eingriff entstehen drei neue, klar definierte Plätze, die einen eigenen gestalterischen Bezug zu den angrenzenden Außenräumen haben und den flankierenden Gebäuden zugeordnet sind. Der Schlosshof zwischen Rantzaubau und Schloss wird als Erweiterung des Prinzengartens als grüner Garten gestaltet, der Fördebalkon wird zur Aussichtsplatform über das maritime Treiben auf der Förde und das Ende der Schlossstraße wird umgestaltet als einladender Vorplatz zur Konzerthalle. Alle drei Platzsituationen können durch eine, im Erdgeschoss der Landeshalle vorgesehene, gastronomische Nutzung bespielt werden.
Ein weiterer Aspekt, der von uns im Bezug auf das Verhältnis des Schlosses zu seinem städtischen Kontext erörtert wurde ist Höhe und Volumetrie des Hauptgebäudes. Historische Dokumente zeigen das Schloss in exponierter Position in Relation zum Rest der Stadt. Im Laufe der Jahrhunderte ist die Stadt um das Schloss herum erweitert und gewachsen, auch in die Höhe. Das Schloss selbst wurde mehrfach zerstört und danach in seiner ursprünglichen Volumetrie wieder errichtet, wodurch es sich in der heutigen Situation nicht mehr hervorhebt und mit dem umgebenden Stadtbild verschmilzt. Anstelle einer bescheidenen Geste, mit einer Dachkonstruktion dem Schloss einen vertikalen Abschluss zu verleihen, schlagen wir einen mehrgeschossigen Aufbau vor, in dem die vorgesehene Hotelnutzung verortet wird. Dieser Aufbau setzt ein weit sichtbares Zeichen, ist identitätsstiftend und steht Symbol für das erstarkte Selbstbewusstsein Kiels. In seiner Maßstäblichkeit referiert das Schloss damit an den weiten Förderaum, die Kreuzfahrtschiffe und Fähren oder die industriellen Gebäude auf der gegenüberliegenden Fördeseite, die wichtiger Aspekt und Stolz der Stadt Kiel sind.

↳ Abbildung: Blick Schlossstraße auf das Kieler Schloss.

Architektur
Einer Aufwertung der aktuellen Erschliessungssituation messen wir besondere Bedeutung bei. Durch die beschriebene Verschiebung der Landeshalle in südlicher Richtung können die Besucher nun von einem großzügigen, repräsentativen Eingang in Empfang genommen werden. Das transparent geschlossene Erdgeschoss der Landeshalle, schafft eine einladende, windgeschütze Vorplatzsituation zum Entreé des Hauptgebäudes und dient als Eingang für den darunter gelegenen Keller-Club. Zur Fördeseite hin, präsentiert sich das HO(P)PA mit einer weiteren einladenden Öffnung auf Wall-Niveau, beispielsweise für die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe.
Das Herzstück des Gebäudes, ein skulpturales, vertikales Erschließungselement, zieht sich wie ein roter Faden entlang der südlichen Gebäudeseite nach oben und verbindet die beiden Eingangsbereiche mit den unterschiedlichen Ebenen, sowie mit dem aufgesetzten Hotel und der öffentlichen Dachterrasse. Die beiden großen Säle, hell und offen gestaltet, bleiben nahezu unverändert erhalten. Um die Säle herum gliedern sich, locker vertreut und transparent gestaltet, zahlreiche Performanceebenen sowie Probeflächen an.
Der öffentlich zugängliche Dachgarten bildet die Pufferzone zwischen den beiden Hauptnutzungen. In Reminiszenz an die Geschichte des Gebäudes, präsentiert sich der Freiraum im äußeren Erscheinungsbild als Negativform der ehemaligen Barockfassade. Das durch seine schlichte Kubatur von der Bevölkerung aktuell nicht als Schloss wahrgenommene Gebäude erhält mit der zeitgenössischen Interpretation einer klassischen Schlossfassade eine neue Identifikation und Wertigkeit im Stadtbild. Üppig begrünt, bietet der Dachgarten, als Stadtbühne oder Stadtbalkon, neben einem atemberaubenden Blick über Förde, Stadt und Prinzengarten, auch ausreichend Flächen für Gastronomie, Performance und Erholung. Den oberen Abschluss des Gebäudes bildet die Hotelnutzung. Über vier Geschosse hinweg ordnen sich ca. 75-90 Zimmer um einen hellen Innenhof, mit den erforderlichen Erschließungsgängen an. Ein über den gesamten Lebenszyklus hinweg nachhaltiges Konzept, ist essentielles Kriterium für die Gebäudeplanung und Fassadengestaltung. Das Erscheinungsbild des Hotelaufbaus verleiht dem Gebäude eine klare Identität, und präsentiert sich in Gestaltung und Materialität als typisch Kieler Lösung.

„Da ist das Schloss!“

↳ Abbildung: Blick vom Ostseekai auf das Kieler Schloss.

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